In Wahlkampfzeiten kriegt man geschönte Oberflächen nur so
um die Ohren gedonnert. Alle sind hübsch, gestylt, selbst weit jenseits der 80
wird man noch froh plakattauglich zurecht gephotoshopt (wobei nicht einmal vor
nackten Oberkörpern halt gemacht wird). Alles kein Problem.
Alles aber mein Problem. Mit einer schlicht-naturgetunten
Wahrnehmung, wo ein Baum ein Baum ist, ein tränendes Katzenauge ein tränendes
Katzenauge, von Kohlweißlingen zernagte Krauthappeln von Kohl .... undsoweiter,
geht mir die geschöne Wirklichkeit, die mir - kaum vom Berg herunten - ins
Gemüt träufelt, so was von auf die Nerven – im Wortsinn.
Die ständige Überreiztheit mit aufgepeppter Schönheit lässt sich
in der Stadt und bei täglichem Internet- und Medienkonsum mit der Zeit
wegblenden. Es müssen sich Filter bilden durch die permanente Durchsetzung mit
wie-etwas-sein-soll (nämlich anders als in Wirklichkeit), durch das tägliche und
minütliche Gezerre an uns, eine Abstumpfung der Sinne, die uns überleben lässt.
Dadurch blenden wir aber auch aus, dass wir ständig belogen werden. Spindi ist
wahrscheinlich in echt NICHT so tatkräftig und schnittig, wie uns die Plakate
weismachen wollen. Die glitzerige Luxusmode aus der Wienerin, die ich im Cafe
Sperl durch blättere, wird möglicherweise in denselben verseuchten Schneidereien
hergestellt wie die Billigsdorfer-Jeans. Die glücklichen Kühe auf der blühenden
Wiese vom Milchpackerl stehen das ganze Jahr im Stall (und fressen vergorene
Silage) (die greulich fäult). Der buttergelbe Käse auf der Packerl-Pizza wird
aus Wasser, Milch-, Soja- oder Bakterieneiweiß, Pflanzenölen, Stärke,
Emulgatoren, Aroma- und Farbstoffen, Salz und Geschmacksverstärker hergestellt.
(Kunstkäse, schmatz.)
Wir verwechseln immer mehr außen mit innen. Wir glauben
gediegenen, hochwertigen Verpackungen, griffigen Slogans mehr als unserem - haha
- Hausverstand. Wie bio können all die Tonnen Gemüse, Fleisch, Käse etc sein,
die täglich frisch in die Supermarktregale geleert werden? Wieviele knackige,
engagierte Ursprungsbauern müsste es geben, damit hinter der schönen Biofassade
tatsächlich alles stimmt? Wir glauben, weil es zu anstrengend ist, ständig alles
zu hinterfragen. Wir wollen nicht bei jedem Einkauf in zynische Verzweiflung
verfallen. Wir wollen, dass die Welt von Vernunft getragen ist, dass wir
tatsächlich eine kluge und lernfähige Spezies sind, dass wir es schaffen werden,
diesen Planeten nicht vollends zugrunde zu richten.
Naja. Eine besonders infame Abart von Verpackungsallergie
befällt mich, wenn ich die Grünen im Wahlkampf agieren sehe. Das ist - laut
ihrem Wahlprogramm - eine Partei, die sich obiger Vernunft verschrieben hat, die
für gesunde Böden, gesunde Natur, gesundes Essen, gesunde Politik eintritt.
Alles schön. Alles wahr. Alles wichtig. Wenn man sich den Zustand von Planeten,
Tierwelten, Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, plus der enormen
Medienpräsenz von all dem anschaut, müsste eine Partei mit einer dermaßen
vernünftigen Ausrichtung und ohne Korruptionshistorie die Absolute schaffen.
Oder?
Nur: Welcher sadistische Wahlkampfstratege setzt die Eva auf
eine Spielplatzbank und lässt sie tantenhaft den HC oder - wahnsinnig lustig -
Hatschi, belehren, dass er die fremden Kinder nicht vertreiben darf? (zum Video) Auf meinen Protest
bekomme ich die Antwort, die Grünen wollten neue Wählergruppen erschließen und
Studien hätten gezeigt, dass es so funktionieren könne. Äh. Wie alt sind die neu
zu erschließenden Wählergruppen? Sieben? Hier ist es genau andersrum: Eine
bobohafte, strikt urban-witzige, standhaft das
Erwachsen-werden-vermeidende Verpackung vergrault alle potentiellen Wähler, die
mit dem haha-sind-wir-jung-spaßig-gegendert-und-cool-Schmäh genau gar nichts
anfangen können. Wie kann ich jemanden wählen, für dessen Auftritt ich mich in
Grund und Boden genieren muss und dessen (macht-)politische Kompetenz ich nur
anzweifeln kann? (Ach, Herr van der Bellen ...)
Verpackungen sind Müll, hier wie dort. Verpackung ist oft
Kunststoff, Folie, giftig, mit Quecksilber bedruckt, oft unehrlich, meist
unnötig, schummelt mit Gewichten und Größen.
Wirklich notwendige Politik im Sinn
von alltäglichen Handlungsweisen verzichtet auf Verpackungen, wo nur möglich und
auf allen Ebenen. Weder verpackt man sich selbst (in monatlich wechselnde
Modetrends, Freizeit-Gear, Elektrospielsachen und Konsumgüter aller Art), noch
sein Angebot (in schrille heiße Werbeluft), sein Essen (muss nicht, wenn's aus
der Region, aus dem Biokistl, aus dem Garten kommt), seine Kommunikation (in
leere Meinungshülsen), noch glaubt man den Verpackungen, die einen umschwirren
und stellt sich als Wirt für Trends und Konsum zur Verfügung.
Vielleicht ist es das Alter, aber immer mehr sind historische
Dokumente (also Filme) aus den Siebzigern wahrer Balsam fürs Auge: Wo die
mediale Lügenmaschinerie noch in den Kinderschuhen steckt und Menschen, Straßen,
Autos, einfach ganz unverpackt so ausschauen wie sie ausschauen (schiach, aus
heutiger Sicht) - zum Beispiel die legendären Kottans mit den noch legendäreren
Autotür-Szenen
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